Als Bachelorabsolventin in Pflege wurde ich eines Tages von der Vorgesetzten gefragt, ob meine Skills und Ressourcen ausreichen würden, oder ob eine Pflegeexpertin APN zusätzlich angestellt werden sollte.
Da merkte ich, dass weder meine damalige Vorgesetzte noch ich selbst wirklich wussten, was denn eine Pflegeexpertin APN kann.
Mittlerweile wirst du kein Pflegewissenschaftsjournal mehr finden, dass nicht über die sogenannten APN's schreibt.
Da es nach wie vor Unklarheiten gibt, erfährst du in diesem Blogartikel, wo die PflegeexpertIn herkommt, was sie mitbringt, in welchen Rollen sie tätig ist und weshalb du sie brauchst.
Wer darf sich PflegeexpertIn nennen?
Grundsätzlich jeder. Denn die Berufsbezeichnung ist ungeschützt, wie viele andere Berufe in der Schweiz. (Bsp. UnternehmensberaterIn, VermögensberaterIn, VisagistIn oder Yoga-LehrerIn)
Von der Diplomausbildung, zu CAS, DAS, MAS gibt es unterschiedliche Werdegänge von InhaberInnen der Rolle der PflegeexpertIn (Zúñiga et al. 2021).
Eine Schützung des Titels ist mittlerweile möglich.
Der Titel "PflegeexpertIn APN-CH" ist aus Initiative verschiedener Organisation 2019 entstanden und ist geschützt. Er erfordert entsprechende Nachweise sowie eine Re- Registrierung alle 5 Jahre. Erst 16% der Befragten MasterabolventInnen haben diesen beantragt (Masterumfrage, 2022).
Was ist eine Pflegeexpertin APN?
"Eine Pflegeexpertin APN (Advanced Practice Nurse) ist eine Pflegefachperson, welche sich Expertenwissen, Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung bei komplexen Sachverhalten und klinische Kompetenzen für eine erweiterte pflegerische Praxis angeeignet hat. Die Charakteristik der Kompetenzen wird vom Kontext und/oder den Bedingungen des jeweiligen Landes geprägt, in dem sie für die Ausbildung ihrer Tätigkeit zugelassen ist. Ein Masterabschluss in Pflege (Nursing Science) gilt als Voraussetzung". (Positionspaper DBfK, ÖGKV und SBK zu ANP, 2013).
Diese Definition der Pflegeexpertin APN ist schwammig. Sie muss jedoch alle verschiedenen Rollen, in verschiedenen Gesundheitssystemen für die ganze DACH Region beinhalten. Die Mindestanforderung mit einem Masterabschluss in Pflege ist klar definiert.
Es gibt nicht wenige PflegeexpertInnen, die keinen Masterabschluss besitzen. Sie arbeiten in dieser Rolle durch viele Jahre Erfahrung und entsprechender Expertise.
Die Reglementierung erfolgt jedoch nicht, um sich von anderen PflegeexpertInnen abzuheben sondern weil die Positionierung Klarheit schafft.
Im Positionspaper werden folgende Gründe für die Notwendigkeit einer Reglementierung und eines Titelschutzes aufgezählt:
Patientensicherheit
Qualität
Effizienz
Denn wenn Kompetenzen und der Handlungsspielraum grösser werden, ist die Gefahr entsprechend höher, dass Fehler passieren. Das gilt es entsprechend zu verhindern, indem die Qualität der erlernten Kompetenzen reglementiert sind.
Um sich den künftigen Herausforderungen zu stellen, braucht es das bestmögliche ausgebildete Pflegefachpersonal. Die Anforderungen an die Pflege werden nicht weniger werden. Durch den geforderten regelmässigen Nachweis von Weiterbildung, Kompetenzen und praktischer Erfahrung wird die Qualität gewährleistet (Positionspaper DBfK, ÖGKV und SBK zu ANP, 2013). Letzteres ist beim medizinischen Fachpersonal bereits die Norm.
PflegeexpertInnen mit Master in der Spitex und Langzeitpflege
Bis Ende 2021 haben 1002 PflegeexpertInnen einen Master in Pflege absolviert (BFS, 2021). Die Tendenz steigend.
Die neusten Zahlen aus der Masterumfrage 2022 zeigen, dass in der Spitex und Langzeitpflege nach wie vor anteilsmässig wenige PflegeexpertInnen APN/MScN tätig sind.
Arbeitsort | Umfrage 2013 (211 Antworten) | Umfrage 2022 (505 Antworten) |
Spitex | 3% | 6.6% |
Langzeitpflege | 5% | 8.4% |
Vergleich Spital | 53% | 62.2% |
Immerhin ist ein Wachstum seit den letzten knapp 10 Jahren zu erkennen. Die Rolle wird bekannter, die Organisationen haben den Mehrwert erkannt.
Die verschiedenen Rollen der APN
Was sind die Aufgaben einer Pflegeexpertin, wie kann sie eingesetzt werden?
Da es unter dem Schirmbegriff ANP (Advanced Nursing Practice) verschiedene Rollen gibt, sind auch entsprechend die Einsatzgebiete unterschiedlich.
Bekannt sind in der Schweiz vor allem die Rollen der Nurse Practitioner (NP) und der Clinical Nurse Specialist (CNS), die eine PflegeexpertIn APN innehat. Auf einem Kontinuum ist zu sehen, dass eine NP viel mehr klinisch tätig ist, während eine CNS eher übergeordnet arbeitet. Nachfolgend werden beide Rollen näher beschrieben.
Nurse Practitioner, die Rolle nah an der Medizin
Die Rolle entstand vor über 50 Jahren in den USA aufgrund eines Hausärztemangels. In 19 Staaten arbeiten sie heutzutage unabhängig vom Arzt. Verordnen in allen 50 Staaten Medikamente und Therapien. Mittlerweile lassen sich 88 % der NP in Primary Care (entspricht Hausarztmedizin) ausbilden. Folgende Vertiefungsrichtungen gibt es:
- Family Nurse Practitioner
- Women's Health Nurse Practitioner
- Pediatric Nurse Pactritioner
- Adult Gerontology Nurse Practitioner
Doch auch dort war der Start nicht einfach. Die Universitäten fingen an auszubilden, die Praxis kam danach, die Reglementierung zuletzt. Eine Family Nurse Practitioner erzählte mir in meinem Work Shadowing 2017, dass sie eine der ersten FNP war und über 100 Ärzte anschrieb, wovon einer sich bereit erklärte, mit ihr zu arbeiten. Ausgeschriebene Stellen, gab es da noch keine.
In der Schweiz gibt es auch bereits NP's. Vor allem in Hausarztpraxen oder im Spital. Mittlereile bietet die Berner Fachhochschule eine Vertiefungsrichtung als NP an. Doch sind wir noch weit weg von den Möglichkeiten, wie diese in den USA gelebt werden.
Wir befinden uns noch in den Babysocken.
Clinical Nurse Specialist, die Rolle nah an der klassischen PflegeexpertIn
Eine Clinical Nurse Specialist (CNS) fokussiert sich auf die Erarbeitung und Multiplikation von Wissen, Coaching von MitarbeiterInnen, interprofessionelle Zusammenarbeit und ethische Entscheidungsfindung. Sie behandeln einerseits Patient*innen, anderseits optimieren sie die betrieblichen Abläufen und Prozesse. Deren Optimierung gewinnt immer mehr an Bedeutung und ist für die Qualitätssicherung essenziell (Berner Fachhochschule, 2022).
Die CNS ist im Vergleich zur NP dem Schweizer Gesundheitswesen viel bekannter. In den USA ist diese Rolle nicht mehr so populär. Im Vergleich zu den 355'000 NP's gibt es 89'000 CNS (Reed, 2022).
Die klassische Pflegeexpertin, die übergeordnet arbeitet und selten bis kaum mehr am Bett anzutreffen ist, kennt man in der Schweiz. Sie arbeiten im Hintergrund, schulen das Personal, entwickeln und setzen pflegerische Konzepte um und sind teilweise den Mitarbeitern an der Basis nicht bekannt. Die Rahmenbedingungen und die Struktur einiger Organisationen erfordern jedoch diese Rollen genauso. Sie bilden die Basis, damit weitere Rollen implementiert oder vertieft werden können.
Warum überhaupt eine PflegeexpertIn?
Der "Mehrwert", also damit gemeint sind die nachweisbaren Vorteile einer PflegeexpertIn liegen auf der Hand. Die Patientenergebnisse, die Zufriedenheit von PatientInnen und Angehörigen und das Selbstmanagement werden erhöht.
Die Mortalität und die Hospitalisationsraten sinken (Morilla-Herrera et al., 2016).
Inkonsistente, also mal mit nachweisbarem Ergebnis und mal nicht, gibt es zur Reduktion von Stürzen und Steigerung der Lebensqualität (Morilla-Herrera et al., 2016).
Des weiteren können sie die Pflegequalität im Betrieb erhöhen und so die Patientensicherheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden verbessern.
Als grosse Spitexorganisation oder Pflegeheim kann man beispielsweise zu jedem Fachgebiet eine PflegeexpertIn APN anstellen. Also Demenz, Palliative Care, Wundversorgung, Psychiatrie etc. In Akutspitälern sind noch viel mehr spezifische Rollen möglich.
Als kleine-mittelgrosse Organisation lohnt es sich eher eine PflegeexpertIn in der Rolle der CNS zu beschäftigen.
Häufiges Problem: Der Betrieb ist gewachsen, die Strukturen jedoch nicht. Es liegen keine Konzepte vor und gewisse Themen werden mit hohem Aufwand und Fehlerrisiko tagtäglich durchgeführt. Durch die Fluktuation ist Know How verloren gegangen. Das bekannte Know How war nämlich nicht verschriftlicht.
Eine PflegeexpertIn kann solche Themen systematisch angehen und die Qualität so gesamtbetrieblich erhöhen.
Es braucht beide Rollen und keine Stelle ist miteinander vergleichbar
Die Rolle der PflegeexpertIn gestaltet sich abhängig von Kontext, den Rahmenbedingungen, der Finanzierung, der Ressourcen und den Kompetenzen. Jede Stelle sieht anders aus. Sie verändert sich und und entwickelt sich stets weiter.
Das bedeutet, dass je nach Rollenanforderungen eine PflegeexpertIn mit Masterabschluss zwingend erforderlich/erwünscht ist, oder ein anderer Background ausreicht.
Bei der neuen Rollenfindung, gerade wenn eine PflegeexpertIn oder eine Organisation diese Rolle das erste Mal antritt, lohnt es sich, ihr eine CoachingpartnerIn zur Verfügung zu stellen.
Damals konnte ich meiner Vorgesetzten die Frage nicht eindeutig beantworten. Zu wenig wurde uns selbst im Studium dazu vermittelt.
Ich wurde jedoch neugierig und habe mich 2016 für den Masterstudiengang angemeldet.
Und ich kann mit Sicherheit sagen, dass das eine der besten Entscheidung in meinem Leben war.
Aus eigener Sache
Du hast keine Pflegeexpertin im Haus und hättest gern eine?
Ich unterstütze als mobile Pflegeexpertin gerne deine Organisation. Mit den Qualitätspaketen findest du für jedes Budget die passende Lösung.
Lass uns zusammen herausfinden, ob ich dich unterstützen kann.
Wer zu den Rollen noch Videos sehen möchte:
Ein Video zu NP in der Berner Hausarztpraxis Südland
Ein Video zu APN in der Spitex gibt es hier
Literatur
Berner Fachhochschule (2022). Advanced Practice in der Pflege. Heruntergeladen von https://www.bfh.ch/de/forschung/forschungsbereiche/advanced-practice/advanced-practice-in-der-pflege/ am 15.12.22
Morilla-Herrera JC, Garcia-Mayor S, Martín-Santos FJ, Kaknani Uttumchandani S, Leon Campos Á, Caro Bautista J, Morales-Asencio JM. A systematic review of the effectiveness and roles of advanced practice nursing in older people. Int J Nurs Stud. 2016 Jan;53:290-307. doi: 10.1016/j.ijnurstu.2015.10.010. Epub 2015 Oct 23. PMID: 26542652.
Positionspaper DBfK, ÖGKV und SBK zu ANP (2013). Heruntergeladen von
https://www.swissanp.ch/_files/ugd/32c467_560b2564d90a482f8d624c31b49a4bac.pdf
am 14.12.2022
Reed, S (2022). Clinical Nurse Specialists in the United States Registered with a National Provider Identifier: 2022 Update. Unpublished Data. Heruntergeladen von https://nacns.org/about-us/what-is-a-cns/ am 19.12.22
Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), APN-CH: Reglementierende Organisation, Institut für Pflegewissenschaft Universität Basel (INS). Masterumfrage 2022 - Befragung von in der Schweiz berufstätigen Absolventinnen und Absolventen eines pflegewissenschaftlichen Master of Science in Nursing Studiums. Bern, Basel: SBK, APN-CH, INS.
Zúñiga, F., Favez, L. Baumann, S. et al. (2021). SHURP 2018 – Schlussbericht. Personal und Pflegequalität in Pflegeinstitutionen in der Deutschschweiz und Romandie. Universität Basel. https://shurp.unibas.ch/shurp-2018-publikationen/
Smollich, M. (2020) ErnMedBlog. Veröffentlichter Twitter Beitrag. Heruntergeladen von
https://twitter.com/ErnMedBlog/status/1261952648418406402/photo/1
Comments