Pflegeexpertinnen in der Spitex übernehmen eine entscheidende Rollein der häuslichen Versorgung von Kundinnen und Kunden. Ihre Arbeit erfordert nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern auch ein hohes Mass an Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit und emotionaler Stärke. In der Schweiz arbeiten etwa 6.6% der Masterabsolvent:innen Pflege in der Spitex (SBK, APN-CH & INS, 2022). Doch der Alltag bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich.
In diesem Blogartikel beleuchten wir einige der häufigsten Herausforderungen, denen Pflegeexpertinnen in der Spitex täglich gegenüberstehen, und zeigen auf, wie sie diese erfolgreich bewältigen können.
1. Herausforderung Eierlegende Wollmilchsau
Pflegeexpert:innen in der Spitex finden sich oft in der Rolle der "eierlegenden Wollmilchsau" wieder, da sie viele unterschiedliche Aufgaben übernehmen müssen. Da die Pflegeexpert:in in der Spitex häufig alleine in dieser Position ist, wird sie mit Anfragen konfrontiert, die nicht zu ihrem eigentlichen Aufgabenbereich gehören.
Um diese Herausforderung zu begegnen, ist es entscheidend, realisische Prioritäten zu setzen und klare Absprachen mit den Vorgesetzten zu treffen. Eine präzise Stellenbeschreibung und klare Vereinbarungen darüber, wie viel Zeit für welche Aufgabe zur Verfügung steht, sind dabei unerlässlich. Andernfalls besteht das Risiko, dass Aufgaben begonnen, aber nicht abgeschlossen werden, was langfristig zu Überlastung und zu Burnout führen kann.
2. Herausforderung Komplexe Pflegesituationen
In der Spitex sind Pflegeexpertinnen häufig mit komplexen und instabilen Pflegesituationen konfrontiert. Dazu gehören beispielsweise die Betreuung von Menschen mit chronischen Erkrankungen, neurokognitiven Einschränkungen oder die Palliativpflege. Solche Situationen erfordern nicht nur spezifische Fachkenntnisse, sondern auch eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen. Zudem sind die Neuanmeldungen schnelllebiger und erfordern eine hohe Flexibilität und Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden der Spitexorganisation.
Eine wirksame Methode, um Komplikationen zu verhindern und unnötige Krankenhausaufenthalte zu reduzieren, ist die Übernahme der Fallführung in solchen komplexen Situationen. Pflegeexpertinnen können hierbei als Clinical Nurse Specialist (CNS) oder Nurse Practitioner (NP) fungieren, je nach ihren individuellen Stärken und Spezialisierungen. Die Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Team, etwa in Form von Rundtischgesprächen, ist hierbei von grosser Bedeutung .
3. Herausforderung Zeitdruck und Ressourcenknappheit
Der steigende Bedarf an häuslicher Pflege und der Mangel an qualifiziertem Personal führen oft zu Zeitdruck und einer unzureichenden Verfügbarkeit von Ressourcen. Pflegeexpertinnen müssen daher lernen, ihre Zeit effizient zu managen und gleichzeitig sicherzustellen, dass sie sich auf langfristige Projekte konzentrieren können.
Pflegeexpert:innen sollten einen hohen Grad an Flexibilität in ihrer Arbeitsplanung mitbringen, um sich den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Nichtsdestotrotz ist eine längerfristige Planung zentral, um wichtige Themen voranzubringen und nicht ständig im Feuerlöschmodus tätig zu sein. Das kann mit einem Jahresplan sein, in dem wichtige interne Themen zur Umsetzung geplant werden. So, dass abgewogen werden kann, wo die Mitarbeitende einen Change mittragen und wo die Pflegeexpert:in im Hintergrund an den Themen arbeiten kann. Hilfreich ist hierzu ein Jahresplan oder Projektplan. Zudem muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Der Austausch mit anderen Pflegeexpert:innen aus anderen Organisationen kann sehr hilfreich und ressourcenschonend sein.
4. Herausforderung Kommunikation und Koordination
Die Kommunikation und Koordination zwischen verschiedenen Beteiligten, wie Ärztinnen und Ärzten, Angehörigen, Versicherungen und anderen Diensten, stellt eine weitere Herausforderung dar. Unzureichende Absprachen oder Missverständnisse können die Qualität der Pflege beeinträchtigen und zu Unzufriedenheit führen.
Pflegeexpert:innen sollen da eingesetzt werden, wo ihre Kommunikationsfähigkeiten am meisten genutzt werden können. Sie übernehmen in schwierigen Kundensituationen Familiengespräche, können mit Versicherungen die Kosten diskutieren sowie intern die Mitarbeitenden befähigen. Beispielsweise indem sie Mitarbeitende auf Tour begleiten und einen objektiven Aussenblick auf die Pflegesituation mitbringen.
5. Herausforderung Rechtliche und ethische Fragestellungen
In Spitexorganisationen stehen die Mitarbeitenden vor komplexen ethischen und rechtlichen Entscheidungen. Beispielsweise ob eine demenzkranke Person in der Wohnung eingeschlossen werden darf oder nicht.
Pflegeexpert:innen können durch Ihre Ausbildung solche Situationen erkennen, benennen und handeln. Sie sind fähig Beschlüsse festzuhalten professionell zu dokumentieren. Beispielsweise in einer ethischen Fallbesprechung oder Richtlinie zkönnen hierbei hilfreiche Werkzeuge sein.
6. Herausforderung Nachwuchsförderung und Einführung
Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege ist es eine Herausforderung, neue Pflegefachpersonen in die Spitex-Arbeit einzuarbeiten und sie für die anspruchsvolle Tätigkeit zu begeistern. Die Spitexleistungen steigen jährlich und am liebsten sollten neue Mitarbeitende von Tag 1. an einsetzbar sein.
Pflegeexpertinnen übernehmen oft die Rolle von Mentorinnen und Mentoren, indem sie neue Mitarbeitende in den Pflegeprozess einführen und ihnen fachliche Unterstützung bieten. Dies trägt nicht nur zur Qualität der Pflege bei, sondern fördert auch die langfristige Zufriedenheit und Bindung der neuen Mitarbeitenden .
Fazit
Die Arbeit als Pflegeexpert:in in der Spitex ist herausfordernd, aber auch äusserst erfüllend. Pflegeexpertinnen sind in der Lage, in komplexen und emotional belastenden Situationen die Übersicht zu behalten und eine hochwertige Pflege zu gewährleisten. Ihre Rolle ist unverzichtbar für die häusliche Gesundheitsversorgung und trägt entscheidend zur Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie der Mitarbeitenden bei.
In jeder Spitexorganisation wird die Rolle der Pflegeexpertin unterschiedlich ausgestaltet, doch eines bleibt konstant: Sie sind die treibende Kraft hinter der kontinuierlichen Verbesserung der Pflegequalität und der Patientenzufriedenheit.
Jennifer Kummli
Pflegeexpertin APN/ MScN, Geschäftsführerin Better Nursing
Jennifer
Quellen
Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), APN-CH: Reglementierende Organisation, Institut für Pflegewissenschaft Universität Basel (INS). Masterumfrage 2022 - Befragung von in der Schweiz berufstätigen Absolventinnen und Absolventen eines pflegewissenschaftlichen Master of Science in Nursing Studiums. Bern, Basel: SBK, APN-CH, INS.
Zúñiga, F., Favez, L. Baumann, S. et al. (2021). SHURP 2018 – Schlussbericht. Personal und Pflegequalität in Pflegeinstitutionen in der Deutschschweiz und Romandie. Universität Basel. https://shurp.unibas.ch/shurp-2018-publikationen/
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